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Vorzugsweise linksherum

Cover von Max Joseph Nr. 4

Andrea Kamphuis und Stephan Matthiesen

In: Max Joseph, Magazin der Bayerischen Staatsoper, Nr. 4, Herbst 2009, S. 90-95

Kurzbeschreibung (Abstract)

"Linksdrehender Rosenkohl und die Spiralität der Artischocken: Einkaufen im Supermarkt als Grundkurs im Drehsinn der Natur" – mit diesem Anreißer stimmt die Redaktion der noch vergleichsweise neuen Zeitschrift der Bayerischen Staatsoper ihre (wohl nicht primär naturwissenschaftlich orientierte) Leserschaft auf den Beitrag ein, den wir zum Schwerpunktthema "Ordnung" verfasst haben.

Wir nehmen die Leser mit auf einen Einkauf im Supermarkt, den man meist in einer Linksdrehung durchläuft, und stellen unterwegs verschiedene Drehungen, Spiralen und Schrauben in der Natur vor – von der rechtsdrehenden Milchsäure über die spiralige Blattanordnung (Phyllotaxis) und die kreisenden Wachstumsbewegungen (Circumnutationen) im Pflanzenreich zu den überwiegend rechtsgewundenen Schnecken, dann weiter zur Asymmetrie unseres Gehirns und ihren Auswirkungen auf den Straßenverkehr.

Joachim Kaiser hat das Heft im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung (31.10./1.11.2009) besprochen. Auf unseren Beitrag geht er nicht gesondert ein; also fühlen wir uns vom folgenden generellen Eindruck einfach mitgemeint: "Die Leser erhalten eine ungemein anspruchsvolle, opulent ausgestattete, mit brillantem Bildmaterial auftrumpfende Luxus-Publikation. Die Texte demonstrieren entschlossen intellektuellen Anspruch."

Kommentar von Andrea Kamphuis

Nachdem wir ungeplant und sehr kurzfristig den Auftrag erhalten hatten, für das Heft einen Beitrag über eine spezielle Form der Ordnung, nämlich Drehungen in der Natur zu schreiben, war zunächst die Unsicherheit groß, wie viel "hard science" wir einer Leserschaft zumuten duften, deren Zusammensetzung wir nicht kennen, die aber mutmaßlich überwiegend dem klassischen Bildungsbürgertum entstammt.

Bald zeigte sich, dass schon die Längenbegrenzung ein allzu tiefes Eindringen in naturwissenschaftliche Detailfragen verhinderte, und ein Besuch im Biergarten führte irgendwie zu der entscheidenden Grundidee, die verschiedenen Aspekte des Themas durch einen fiktiven Rundgang durch einen Supermarkt zusammenzuführen. Danach war eigentlich alles ganz einfach: Das Schreiben hat Spaß gemacht, die Kürzungen waren nicht allzu schmerzhaft, die Zusammenarbeit war prima. Ich glaube nicht, dass die Übergänge zwischen Stephans und meinen Teilen sich noch durch merkliche Brüche verraten.

Kommentar von Stephan Matthiesen

Mit künstlerisch ausgerichteten Kreativen zu arbeiten, empfinde ich als Naturwissenschaftler immer als eine anregende und lehrreiche Erfahrung. Das eigene Wissen mit den Augen von Künstlern zu sehen, die in ihm Inspiration für ihre eigene Arbeit suchen, erweitert den eigenen Blick und führt zu Verbindungen, die man ansonsten vielleicht nicht bemerkt hätte.

So ging es auch in diesem Fall, als wir mit den Redakteurinnen über Möglichkeiten sprachen, zu dem geplanten Thema des Heftes, "Ordnung", einen naturwissenschaftlichen Beitrag zu liefern. Während wir bei der Erläuterung der in unserem Artikel angeschnittenen Phänomene selbstverständlich die wissenschaftliche Fundiertheit als oberstes Ziel hatten, entwickelte sich ihre Zusammenstellung und damit der rote Faden des Textes durchaus im Zusammenspiel mit den interessierten Fragen und der künstlerische Perspektive der Redaktion.

Vor diesem Hintergrund gefällt mir auch das Konzept des ganzen Heftes sehr gut – Naturwissenschaftler wären wohl nicht unbedingt den Weg gegangen, das Thema "Ordnung" durch Artikel mit so verschiedenartigen Themen wie die Veränderung unserer Weltsicht durch Google, Don Giovanni, das Streben nach politischer Ordnung in Afghanistan, die Gesetze der Improvisation und eben auch Drehungen in der Natur zu beleuchten. Dass wir daran beteiligt waren, empfinde ich als große Ehre, und ich hoffe, dass unser Artikel umgekehrt auch manchen Lesern die Inspiration gibt, einige alltägliche Phänomene genauer zu verstehen, die sie vielleicht sonst nicht beachtet hätten.