In der Vergangenheit konnte man den Eindruck gewinnen, Amateure hätten eigentlich nur in der Astronomie, der Archäologie und entlegenen Spezialgebieten innerhalb der Biologie (als Schleimpilz-Fans zum Beispiel) noch eine Chance, am wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt mitzuwirken. Doch im Darwin-Jahr können alle interessierten Laien Europas der Evolution auf die Finger schauen und sich an einem hübschen Forschungsprojekt zu beteiligen: dem preisgekrönten Evolution Megalab.

Wie auf der konsequent mehrsprachigen Website erläutert, geht es um die Evolution der uns allen bekannten Bänder- oder Schnirkelschnecke (Gattung Cepaea), von der es in Europa zwei sehr ähnliche Arten gibt: Die Hain- oder Schwarzmündige Bänderschnecke (Cepaea nemoralis) hat eine dunkle Lippe; bei der Garten- oder Weißmündigen Bänderschnecke (Cepaea hortensis) ist diese Gehäusemündung hell. Beide Arten treten in mehreren Grundfarben – gelb, rot oder braun – und mehreren Musterungen auf: ungebändert, mit einem oder mit mehreren Bändern. Wer mehr über dieses Phänomen erfahren will, das die Genetiker als Polymorphismus bezeichnen, kann sich von der Website einen englischen Aufsatz von Laurence Cook herunterladen, in dem er die genetische Basis der Gehäusevielfalt darstellt.

Die Mengenverhältnisse der insgesamt 2 mal 3 mal 3 = 18 Varianten unterscheiden sich von Region zu Region. Einer der Hauptfeinde dieser Schnecken ist die Singdrossel. Dieser Vogel erkennt seine Beute vermutlich schwerer, wenn sie Bänder hat und sich daher nicht so deutlich vom Untergrund abhebt wie ein monochromer Farbklecks. (Man betrachte einmal dieses und das folgende Foto aus großer Entfernung!)

 Schneckenhaus

Nun ist die Singdrossel in den letzten Jahrzehnten stark zurückgegangen und aus einigen Gegenden nahezu verschwunden. Der Selektionsdruck in Richtung Bänder oder Streifen hat also nachgelassen, und die Forscher fragen sich, ob sich dies bereits in einer Abnahme der gebänderten Populationsanteile niederschlägt.

Gleichzeitig wandelt sich das Klima; in einigen Regionen haben sich die Sonnenscheindauer und -intensität verändert. Je dunkler ein Gehäuse, desto stärker überwärmt sich die in ihm lebende Schnecke bei prallem Sonnenschein. Es mag also sein, dass der Selektionsdruck in Richtung eines hellen Gehäuses in den letzten Jahrzehnten stärker geworden ist.

Bänderschnecke

Es gibt eine Menge historischer Daten über die Häufigkeit der Gehäusevarianten, und je mehr Leute sich bis Ende September an der Erhebung neuer Daten beteiligen, desto aussagekräftiger wird der Vergleich. Um möglichst zuverlässige Daten zu liefern, sollte man anhand der Erläuterungstexte, des kurzen Einführungsvideos von Robert Cameron und der ausdruckbaren Anleitungen auf der Website lernen, die beiden Arten sicher voneinander und von anderen Schnecken zu unterscheiden, noch nicht ausgewachsene Exemplare (bei denen die Art nicht sicher zu bestimmen ist) auszusortieren und die Farb- und Mustervarianten richtig zu kategorisieren.

Es gibt nämlich durchaus Zweifelsfälle. Ist die folgende Hain-Bänderschnecke wirklich monochrom? Nah an der dunklen Lippe entdeckt man Punkte, die offenbar intensiv gefärbte Abschnitte von durchgehenden, aber sehr blassen Streifen sind:

Bänderschnecke

Wer die Unterschiede kennt und einen kleinen Test auf der Website absolviert hat, kann dann seine bei Wanderungen, Spaziergängen oder Gartenarbeiten erhobenen Daten in die Datenbank einspeisen und sich gleich anschauen, wie die Proportionen zwischen den Varianten in seiner Gegend früher aussahen.

Insgesamt ein sympathisches und lehrreiches Projekt, an dem sich hoffentlich auch viele Schulklassen beteiligen werden. Aber jeder einzelne Datensatz zählt: Wir haben uns den Erfassungsbogen schon ausgedruckt und freuen uns auf die Schneckenjagd – die übrigens völlig gewaltfrei abläuft: Lebende Schnecken werden nach der Kategorisierung sofort wieder ausgesetzt; leere Gehäuse kann man als Souvenir mitnehmen. Vielleicht entdeckt man sogar eine "Drosselschmiede": So heißen die Steine, auf denen die zwangsläufig nicht ganz so gewaltfreien Singdrosseln jene Schnecken zertrümmern, die sie gefunden haben.

(Und wer weiß – womöglich findet jemand nebenbei einen echten Schneckenkönig – sofern es solche unter den Bänderschnecken gibt. Das hängt davon ab, ob "verkehrt gewickelten" Exemplaren die Paarung gelingt.