Muster des Monats 7/2017; (c) Stephan Matthiesen 2017

Heute wollen wir einmal über Trampelpfade nachdenken.

Viele Trampelpfade, wie diejenigen im Bild, wurden zwar von Menschen erzeugt, sind aber nicht bewusst geplant, sondern entstehen durch das kollektive Verhalten von vielen Einzelnen, die voneinander meist gar nichts wissen - sie sind also ein Beispiel für Selbstorganisation. Bei Pfaden, die von Tieren angelegt werden, ist dies natürlich erst recht der Fall. Was sind die zugrunde liegenden Mechanismen?

Trampelpfad; (c) Stephan Matthiesen 2017

Zunächst einmal: Wenn schon einmal ein Pfad vorhanden ist, dann neigen die meisten Menschen (bzw. Tiere) dazu, auch auf diesem Pfad zu laufen, wenn es nicht gute Gegengründe gibt. Denn erstens ist es ist im Allgemeinen leichter und energiesparender, weil dort der Boden festgetrampelt ist und kein hohes Gras oder andere Pflanzen aufkommen - wer sich schon mal durch hohes Gras oder Gebüsch auf weichem Boden geschlagen hat, wird das bestätigen. Dies ist ein selbstverstärkender Effekt: Je mehr Menschen den Pfad benutzen, desto ausgeprägter wird er, wodurch wiederum mehr Menschen genau dort laufen und nicht etwa ein paar Meter weiter links oder rechts.

Zweitens sind Pfade attraktiv, weil sie Hindernisse und Gefahrenstellen vermeiden. Denn die Tatsache, dass ein Pfad ausgetreten ist, zeigt ja, dass hier andere Benutzer regelmäßig sicher entlanggelaufen sind. Drittens sind Trampelpfade meist die effizienteste Route - mehr dazu später. Ein Trampelpfad dokumentiert also sozusagen das kollektive Wissen früherer Benutzer und macht so die Fortbewegung einfacher und sicherer.

Für viele heutige Menschen liegt dies vielleicht nicht so nahe - wir gehen absichtlich und ohne Not in schwierigem Gelände wandern und finden mit Karten oder Satellitennavigation wieder heim, wo wir uns bei einem ausgiebigen Mahl kräftigen können. Historisch gesehen ist dies die Ausnahme; zu praktisch allen Zeiten mussten Menschen und Tiere Energie und Ressource sparen und kraftzehrende Umwege oder unnötige Risiken vermeiden.

"Trampelpfade sind meist die effizienteste Route" - was ist damit eigentlich gemeint, und warum ist das so? Schauen wir uns einmal ein paar Beispiele der Routenführung an.

Trampelpfade neigen dazu, relativ geradlinig zu verlaufen, wenn es keine Hindernisse gibt:

Trampelpfad; (c) Stephan Matthiesen 2017

(Hier hat man auf den letzten paar Metern eine Treppe angelegt, der Rest des Wegs ist aber ein Trampelpfad). Der Grund dafür liegt wieder im Verhalten des Menschen. Wenn ein Pfad eine Kurve macht, neigen wir dazu, diese abzukürzen, wenn es geht. An geteerten oder gepflasterten Wegen kann man daher oft schön sehen, wie Menschen nicht der "offiziellen" Krümmung folgen, sodass das Gras in der Kurve abgetreten ist: 

Trampelpfad; (c) Stephan Matthiesen 2017

Wäre der Weg nicht geteert, so würde er sich im Laufe der Zeit verlagern, sodass die Kurven immer flacher werden. Auch im folgenden Bild haben sich zwei Trampelpfade als Abkürzung von dem Weg im Vordergrund zu dem in der linken Bildmitte entwickelt - die "offizielle", geteerte Verbindung befindet sich gegenüber vom Imbissanhänger am rechten Bildrand:

Trampelpfad; (c) Stephan Matthiesen 2017

Im folgenden Beispiel hat sich in der linken Bildhälfte ein Pfad entwickelt, obwohl rechts auch eine Straße mit Bürgersteig verläuft; beide treffen sich dort, wo am linken Bildrand die Menschenansammlung steht:

Trampelpfad; (c) Stephan Matthiesen 2017

Gestern fand gerade die schottische Ironman-Meisterschaft statt, daher die vielen Menschen und Absperrungen. Für dieses Bild war es praktisch, dass der Pfad dank der Menschen wesentlich leichter zu erkennen ist. Auch dieser Pfad kürzt also eine Kurve in der Straße ab.

Im folgenden Bild sieht man (hinter einem Fahrradfahrer aus der Ironman-Meisterschaft und der Wandergruppe) ein Netz von Pfaden mit zwei Ästen zur Straße, einem Ast nach links den Berg hinauf, einem nach rechts hinten und einem fünften, schwach zu erkennenden zur Mitte des rechten Bildrands:

Trampelpfad; (c) Stephan Matthiesen 2017

Obwohl die beiden Wege zur Straße relativ nahe beieinander liegen, haben sich beide nebeneinander entwickelt. Welcher praktischer ist, hängt davon ab, ob man auf der Straße von links oder von rechts kommt. Dort, wo sich die Pfade treffen, hat sich ein kleines Dreieck entwickelt:

Trampelpfad; (c) Stephan Matthiesen 2017

Solche Dreiecke entwickeln sich oft an Weggabeln, obwohl ein einzelner sternförmiger Wegpunkt eigentlich logischer erscheint, weil die Menschen eben in jeder Richtung abkürzen wollen. Hier wurde ein solches Wegdreieck dann auch geteert (man erkennt noch an den Kantsteinen, dass diese Verbindungen ursprünglich nicht geplant waren):

Trampelpfad; (c) Stephan Matthiesen 2017

Trampelpfade haben also die natürliche Tendenz, sich im Laufe der Zeit zu verlagern und möglichst direkt und kurz zu werden. Dies ist allerdings nicht der einzige Aspekt. Hier an einem steilen Hang verlaufen die Trampelpfade nicht entlang des kürzesten Wegs (also gerade den Hang hinauf), sondern schräg:

Trampelpfad; (c) Stephan Matthiesen 2017

Diese Routen sind zwar länger, aber weniger steil als der kürzeste Weg. Letztlich hat sich hier ein Gleichgewicht zwischen zwei Faktoren etabliert: der Tendenz, die Länge des Weges zu verkürzen, gegenüber der Tendenz, Steigungen zu vermeiden. Im Endeffekt dürften diese Pfad also das Optimum darstellen, bei dem der Aufstieg am wenigsten Energie braucht.

Durch diese Mechanismen sind Trampelpfade also energiesparend, nicht nur, weil sie leichter zu begehen sind als das unwegsame Gelände, sondern auch durch ihre Routenführung. Der wesentliche Aspekt dabei ist, dass sie (im Gegensatz zu befestigten Wegen) nicht fixiert sind, sondern sich im Lauf der Zeit durch die Benutzung verlagern können und damit sozusagen auf die Bedürfnisse der Benutzer reagieren. Sie sind daher auch nicht im Voraus geplant, sondern entstehen durch Selbstorganisation.

Die Bilder der geteerten Wege habe ich gestern in den Meadows, einem Park im Zentrum von Edinburgh aufgenommen, die Trampelpfade dagegen im Holyrood Park, ebenfalls im Zentrum Edinburghs. Er erstreckt sich um einen 251 Meter hohen Berg, Arthur's Seat, herum:

Arthur's Seat; (c) Stephan Matthiesen 2017

Der Berg ist eine vulkanische Schlotfüllung ähnlich der Inseln, die wir vor zwei Monaten im Muster des Monats, 5/2017 betrachtet haben, allerdings nicht so schön kegelförmig erodiert und insgesamt auch komplexer, weil zugleich noch andere Formationen vorhanden sind. Dieses Foto wurde von einer kleineren Spitze, dem Dunsapie Crag, aufgenommen.

An den Hängen von Arthur's Seat erkennt man übrigens auch waagrechte Strukturen:

Hangterrassen Arthur's Seat; (c) Stephan Matthiesen 2017

Dabei handelt es sich um Ackerterrassen aus der Bronzezeit, aus dem 2. Jahrtausend v.Chr. Zu jener Zeit war das Klima relativ mild, sodass sich aus dieser Zeit an vielen Orten Schottlands Siedlungen und Ackerbau in höheren Lagen finden, die später wieder aufgegeben wurden.