Dieses Muster des Monats ist kurzfristig improvisiert und nicht wirklich rätselhaft ...

Meine der Suche nach einem Motiv endet im Gemüsefach des Kühlschranks, in dem der Rest eines Wirsingkopfes vor sich hin welkt, dessen äußere Blätter ich am letzten Wochenende zu Wirsingrouladen verarbeitet habe. Was den Wirsing von anderen Weißkohlköpfen unterscheidet, ist die gekräuselte, plastische Blattstruktur. An der Blattinnenseite finden sich zahlreiche konvexe Kissen oder Läppchen:

Dem entsprechen auf der Blattaußenseite konkave Vertiefungen zwischen den Rippen:

Offenbar teilen sich die Zellen an der Blattinnenseite stellenweise häufiger als an der Außenseite; durch die resultierende Gewebespannung verformen sich die Blattpartien.

Außerdem schmiegen sich die inneren Blätter des nahezu kugelförmigen Kopfes eng aneinander, während die älteren, hier bereits zu Rouladen verarbeiteten und daher fehlenden Blätter wie die Blütenblätter einer Rose nach außen ragen. Solange sie kugelschalenförmig zusammenliegen, müssen die Blätter ihren Rand zusammenfalten, in etwa parallel zu den Hauptadern. Das sieht man im folgenden Bild ganz gut:

Ein beherzter Querschnitt durch den Kopf offenbart die spiralige Anordnung der Blätter - mit Phyllotaxis und dem goldenen Winkel haben wir uns hier ja schon öfter beschäftigt:

Inzwischen kleben meine Finger etwas am Auslöser der Kamera, denn aus den Wirsingblättern tritt eine kleisterartige Flüssigkeit aus - verbunden mit dem typischen Kohlgeruch:

Das dürften Senfölglycoside sein, die für Kreuzblütengewächse oder Brassicaceae typisch sind. Wirsing produziert vor allem Glucobrassicin, das Schadinsekten abschreckt. (Über das Immunsystem der Pflanzen könnte man ein ganzes Buch schreiben!)

Ist ein Kohlkopf erst einmal quer durchgeschnitten, lässt sich anschließend kein perfekter Längsschnitt mehr anfertigen. Aber so ungefähr passen die beiden Teile zusammen, und wir erkennen die für Kohlköpfe typische verkürzte Sprossachse: Die Blattanlagen folgen fast ohne Längenwachstum des Sprosses aufeinander; die jüngsten Anlagen finden wir oben.

Auf diesem Ausschnitt ist noch einmal die Kräuselung der Blätter zu sehen, die dem Wirsing seine typische Textur verleiht. Außerdem erkennen wir in der Achsel über dem ältesten, dicksten Blatt eine Achselknospe:

Damit genug des Gemetzels! Morgen wird das Gemüsefach mit neuem Wintergemüse gefüllt.