Muster- und Strukturenratebild, Dezember 2010

Muster des Monats (c) Stephan Matthiesen

(Zur Auflösung und Erklärung bitte weiterlesen.)

Warum legt sich das Gras hier zu eigentümlichen Büscheln zusammen, die nicht einfach zufällig verteilt sind, sondern eine typische Größenordnung (etwa 30 cm Durchmesser) und typische Abstände (etwa einen halben bis ganzen Meter) haben? Fotografiert habe ich diese Szene nahe St. Abbs an der schottischen Ostküste, etwa 50 km östlich von Edinburgh:

Grasbüschel bei St. Abbs; (c) Stephan Matthiesen

Zugegeben, eine genaue Erklärung für die Entstehung dieses Grasmusters habe ich nicht, ab es wird mit Sicherheit von der Beweidung durch Tiere beeinflusst: Der Charakter der Weide ändert sich abrupt am Zaun, obwohl die Pflanzengesellschaften beiderseits im Wesentlichen dieselben sind. Bei einem anderen Besuch befanden sich hinter dem Zaun Kühe, während das Land vor dem Zaun wohl nur Schafen zugänglich ist (links außerhalb des Bildes beginnt ein Abhang zu einer steilen Klippe, der für Kühe sehr gefährlich wäre). Dass die in Schottland allüberall anzutreffenden Schafe auch zwischen diesen Grasbüscheln weiden, konnte ich durch Hinterlassenschaften beweisen, die aus dem anderen, zahnlosen Ende des Schafes stammen.

Die Büschel selber bestehen, wie man im ersten Bild erkennt, aus langen, älteren, eher trockenen Halmen. Die Schafe dürften daher das kürzere, jüngere, weichere, saftigere Gras dazwischen bevorzugen. So stabilisieren sie das Muster: Wenn sich erst einmal ein Büschel gebildet hat, wird es von den Schafen in Ruhe gelassen, während aus dem niedrigen Gras keine neuen Büscheln hochwachsen können. Wo kommt aber der typische Durchmesser und Abstand der Büschel her? Vermutlich gibt es es eine optimale Büschelgröße: Wenn ein Büschel zu klein ist, wird es einfach mit abgegrast, wenn es aber zu breit wird, dann enthält es im vor Wind und Sonne geschützten Inneren wieder saftiges Gras, sodass die Schafe den Kern herausfressen und kleinere Büschel übrig lassen. Büschelgröße und -abstand werden also von der Größe des Schafskörpers bestimmt.

Letztlich handelt es sich also um einen selbstverstärkenden Prozess (kurz wird kürzer, lang wird länger) mit einer typischen Größenordnung (der Größe eines Schafes). Auf der anderen Seite des Zaunes dagegen dürften die Kühe einfach das Gras einheitlicher abmähen.

Um diese Theorie der Büschelentstehung zu prüfen, wäre es wünschenswert, noch einmal dorthin zu fahren, wenn Schafe und Kühe auf der Weide sind, und ihnen genau beim Essen zuzusehen. Bestimmt ergibt sich die Gelegenheit irgendwann, denn die Gegend ist für Wanderer auf jeden Fall reizvoll:

St. Abbs; (c) Stephan Matthiesen