Muster- und Strukturenratebild, April 2010

Steinkoralle, Detail

(Zur Auflösung und Erklärung bitte weiterlesen.)

Ganz sicher bin ich mir nicht, was das etwa 7 mal 6 mal 3,5 cm große Objekt angeht, aus dem diese Nahaufnahme stammt – vermutlich handelt es sich bei dem Strandfund vom Golf von Oman um einen Überrest einer Steinkorallenkolonie, vielleicht von einer Sternkoralle. Etwas verwirrend sind zum einen die komplex aufgebauten Koralliten, also die Kelche der einzelnen Polypen, die in einer Steinkoralle zusammenleben, und zum anderen die beiden großen Löcher in diesem "Kiesel":

Steinkoralle, Übersicht

 

Die konischen Schlote haben einen Durchmesser von 1–1,5 cm und sind überwiegend mit einer glatten Kalkschicht ausgekleidet. Anders als bei den Schwämmen können sie daher nicht als Teile eines raffinierten Ventilationssystems interpretiert werden, in dem die Einzeltierchen durch koodiniertes Schlagen ihrer Tentakel bzw. Wimpern einen gerichteten Wasserstrom erzeugen, aus dem sie Nahrungspartikel filtern. Vielleicht ist diese Koralle ursprünglich um zwei kegel- bzw. zylinderförmige Objekte herumgewachsen, die später zerfallen sind. Oder es handelt sich um Bohrlöcher von Würmern oder anderen Organismen, die in Symbiose mit den Korallen leben.

Zurück zu den feinen Strukturen im Rätselbild: Wenn wir hier tatsächlich von oben auf einige Koralliten blicken, dann sind die sternförmig angeordneten Kalkwände die sogenannten Sklerosepten, von denen die Steinkorallen, die zur Unterklasse der Hexacorallia gehören, stets eine durch sechs teilbare Zahl (hier: 24) aufweisen. Viel besser erkennt man den Aufbau der Koralliten in dem folgenden Fundstück, das ebenfalls aus dem Oman stammt. Die einzelnen Korallenkelche haben hier einen Durchmesser von etwa einem Zentimeter und enthalten ebenfalls 24 Septen, von denen allerdings nicht alle bis zur Mitte reichen:

Steinkoralle mit großen Koralliten

Diese sternförmigen Gebilde erklären sich aus der Struktur der Korallentierchen, die im Grunde wie winzige Seeanemonen aussehen – kein Wunder, gehören doch auch diese zu den Hexacorallia. Ein Tentakelkranz umgibt die einzige Körperöffnung, die sowohl als Mund als auch als After dient. Daran schließt sich nach unten ein hohler Muskelzylinder an, dessen Inneres – der Gastral- oder Magenraum – durch mindestens sechs Sarkosepten in Taschen untergliedert ist. Diese Septen dienen der Oberflächenvergrößerung, denn an der Innenwand des Magenraums werden Nährstoffe aufgenommen und Verdauungsenzyme sowie Abfallstoffe ausgeschieden. Das ganze Tier ist ringsum von einer Kalkwand (Theca) umgeben und ruht auf einer Kalkplatte (Tabula). Bei vielen Arten ragt in der Mitte eine Kalksäule auf, die Columella.

Die Fußscheibe des Organismus sondert das Skelettmaterial ab; unter jedem Septum entsteht so ein Skleroseptum. Der Korallenstock wächst durch diese Kalkabsonderung. Ab und zu ziehen die Einzelpolypen eine Etage höher: Sie ziehen eine neue Tabula ein, vermehren sich durch Knospung und bauen sich neue Kelche auf.

Der Durchmesser der Koralliten und die Zahl und Anordnung der Septen sind wichtige Bestimmungsmerkmale für lebende Korallen, Skelettüberreste am Strand oder auch Fossilien. (Sogenannte tabulate Korallen gab es bereits im Silur, vor über 400 Millionen Jahren; die Steinkorallen kamen allerdings erst in der Trias auf, also vor etwa 250 Millionen Jahren.) Im folgenden Exemplar haben die – wiederum 24-strahligen – Sternchen einen Durchmesser von nur zwei Millimetern; ihr Abstand beträgt jeweils etwa fünf Millimeter:

Steinkorallenrest, Oman

Noch kleiner sind die Öffnungen in diesem Fundstück. Der Korallenstock hat sich verzweigt; einzelne Äste sind später wieder verschmolzen. Die Löcher sind nur einen Millimeter groß und lassen mit bloßem Auge kaum noch eine Unterteilung in Septen erkennen:

Korallenast, Oman

Übrigens sind die Einzeltiere, obwohl sie jeweils einen eigenen Kelch aufbauen und bewohnen, über dünne Gewebeschichten und -kanäle miteinander verbunden, sodass sie koordiniert auf Umweltreize reagieren und einander auch Nährstoffe abtreten können.