"Das geht aber nicht als natürliches Muster durch!" Dieser Satz ist auf unseren Wanderungen ein Running Gag, vor allem, wenn der Monatswechsel naht und ich händeringend nach einem Thema für das "Muster des Monats" suche. Bei den Streifen, die ein Mähdrescher auf einem Feld hinterlässt, oder den kuriosen Buchsbaumskulpturen in bürgerlichen Vorgärten ist die Sache eindeutig. Aber wie sieht es mit den Strukturen aus, die der Wind aus Kondensstreifen formt, oder mit der Verteilung der Einschusslöcher in einem Straßenschild, das gelangweilte Jungbauern mit ihren Schrotflinten perforiert haben? Oder eben mit diesem rötlichen, gestreiften Gestein?

Den Streifenstein gibt es gleich nebenan auch in Weiß und mit Moosbewuchs. Die Hand zeigt: Die Schicht ist hier etwa 20 bis 25 Zentimeter dick. Aufgenommen habe ich sie auf der ersten Etappe des EifelBahnSteigs, eines neuen Wanderwegs, der nicht ausgeschildert, sondern nur mit einem GPS-Gerät zu begehen ist. Bei Kreuzweingarten verläuft er eine ganze Weile auf dem Römerkanal-Wanderweg. Prompt steht man dann auch vor einem Aufschluss der kurz nach der Zeitenwende erbauten, knapp 100 Kilometer langen Eifelwasserleitung:

Die Römer hatten ein ähnliches Problem wie ich jeden Morgen unter der Dusche: Das ausgesprochen kalkhaltige Wasser setzt die Leitungen zu. In diesem Kanal hat sich der Kalksinter zunächst am Boden und am unteren Rand der Seitenwände festgesetzt. Durch die Verengung stieg der Wasserspiegel, sodass sich auch an den höheren Regionen der Wände Kalkschichten ablagern konnten. Durch Beimengungen, vermutlich Eisen, ist der Sinter an einigen Stellen rötlich:

Ohne den menschengemachten Kanal gäbe es diesen sogenannten Eifel-, Kanal- oder Aquäduktenmarmor nicht, aber er gilt dennoch als Naturstein - und wurde auch so eingesetzt: Bereits im Mittelalter hat man ihn zu Blöcken geschlagen und in Mauern verbaut, beispielsweise in der Hardtburg, die wohl aus dem 11. oder 12. Jahrhundert stammt: 

Als wir vor dem entsprechenden Hinweisschild standen, haben wir den Kalksinterstein nicht gleich entdeckt - dabei befand er sich direkt vor unserer Nase, an der Ecke des Burgturms, links neben "Station Nr. 24":

Poliert man den Aquäduktenmarmor, sieht er echtem Marmor recht ähnlich. Folglich wurde er auch in Kirchen in der Eifel und in Köln verwendet, etwa in Form von Säulen oder Grabplatten.

Die Eifel zeigt sich bei Kreuzweingarten im Spätsommer von ihrer lieblichen Seite:

Doch sie kann nicht ganz mithalten mit dem Charme einer anderen Landschaft, in der wir dem Aquäduktenmarmor vor einigen Jahren schon einmal begegnet sind: der Provence.

Im Sommer 2009 haben wir dort den wohl bekanntesten Aquädukt Frankreichs besucht, der ebenfalls kurz nach der Zeitenwende erbaut wurde: Pont du Gard

Das Wasser wurde durch einen Kanal in der obersten der drei Ebenen transportiert. Auch hier hat es an den Seitenwänden dicke Kalksinterschichten zurückgelassen:

An einem anderen Abschnitt des Aquädukts, vor einem Tunnel, kommt man noch näher an die Ablagerungen heran:

Die Steineichen-Eichel vermittelt einen Eindruck von der Schichtdicke - wieder etwa 25 Zentimeter:  

 

Und wozu brauchten die Römer all das frische Wasser, das sie unter Aufbietung höchster Ingenieurskunst über Dutzende von Kilometern aus den Bergen in ihre Siedlungen lenkten?

Unter anderem für ihre WCs - deren Besuch damals offenbar eine gesellige Angelegenheit war: