Die Ausbeute eines langen Strandspaziergangs? Nein, Überbleibsel eines langen Silvestermenüs. Am Neujahrstag pflegen viele Leute Rituale. Ich habe heute mal etwas Neues ausprobiert, nämlich Einweghandschuhe angezogen und unseren Müll durchwühlt. Was genau habe ich dabei gefunden?  

Die Objekte haben auffällig radiale Rippen und etwas zartere konzentrische Ringe, ein wenig wie Jakobsmuscheln:

Hier eine größerer Teil meiner Ausbeute:

Die seltsamen Farben hat die Foto-Autokorrektur hervorgebracht, die mit sanften Weiß- und Gelbtönen nicht so gut zurechtkommt - das erhöht den Rätsel-Effekt. Hier ein Bild in halbwegs originalgetreuen Tönen:

Und noch ein zartes Detail: der vordere Rand einer der "Muscheln", der sich im Namen dieser Objekte wiederfindet:

Es handelt sich um sogenannte Kammschuppen, wie man sie auf der Haut von Knochenfischen findet. Ich habe sie gewaschen und zum Trocknen auf einem Stück Notizpapier verteilt. Feucht - wie auf dem Ratebild ganz oben - lagen sie plan auf dem Papier; je trockener sie wurden, desto stärker krümmten sie sich.

Dann habe ich sie auf einen improvisierten Leuchttisch umgebettet, nämlich die Tageslichtlampe, mit der ich ein leichte Winterdepression wegzustrahlen versuche. Hier eine der Kammschuppen bei ausgeschaltetem Leuchttisch, von der Seite angestrahlt:

In diesem "Diadem" erkennt man neben den radialen Rippen sehr gut einige konzentrischen Ringe. Es handelt sich um Jahresringe, denn die Schuppen von Knochenfischen wachsen - wie das Holz von Bäumen - im Jahresverlauf unterschiedlich schnell. Hier dieselbe Schuppe bei eingeschaltetem Leuchttisch:

Der untere Bereich liegt am Fisch in Richtung Kopf, während der gewellte Kamm zum Schwanz zeigt und den Ansatz der nächsten Schuppen dachziegelartig überdeckt. In der Haut ist die Schuppe mit der feinen Netzstruktur verankert, die man in den letzten beiden Bildern am unteren Rand erkennt.

Die beiden folgenden Übersichtsbilder zeigen noch einmal, wie unterschiedlich die Schuppen bei seitlichem Lichteinfall und Durchlicht aussehen - und wie groß das Formen- und Größenspektrum der Schuppen ist:

Die Schuppen stammen von den Rotbrassen, die wir gestern auf einem Gemüsebett gedünstet haben. Diese Fische werden auch als "Dorade rosé" verkauft und zählen zu den Meerbrassen. Dass sie ihren Namen zu Recht tragen, zeigt die Schwanzflosse, die ich wegen Überlänge des Fisches abgeschnitten hatte :

Im Detail - zunächst wieder mit Auflicht - sieht man, wie sich die an der Basis noch gebündelten Strahlen der Schwanzflosse zum Rand hin nach und nach in kleinere Gruppen aufspalten:

Hier dieselbe Flosse im Durchlicht:

Die Strahlenbündel scheinen mit einer Art von "Kabelbindern" zusammengehalten zu werden, die nur ganz am Rand fehlen, in den die Strahlen einzeln münden:

Hier noch ein kleiner Ausschnitt vom seitlichen Rand der Schwanzflosse:

Achtung, jetzt wird es unheimlich. Meerbrassen sind ganz gewiss keine Vegetarier: 

Die Bildkomposition suggeriert, dass wir einen Unterkiefer sehen; tatsächlich ist dies aber der Oberkiefer des Fisches. Die Frontzähne sind kegelförmig und nach innen gekrümmt; an den Kauleisten reihen sich kugelige Mahlzähne auf, die teilweise abgenutzt sind:

Auch den Unterkiefer habe ich von Fleischresten befreit. Dabei ist er allerdings in der Mitte auseinandergebrochen:

Der Unterkiefer weist ebenfalls Fang- und Mahlzähne auf und passt perfekt zum Oberkiefer:

Mit diesem freundlichen Dinosaurierlächeln verabschieden wir uns von den Überresten der Rotbrasse. Den Müll habe ich inzwischen runtergebracht; nur meine Tageslichtlampe riecht noch ein wenig streng.